Ich wollte unbedingt, durfte hier lange schweigen. Obwohl sich gefühlt alle fünf Minuten eine neue Gelegenheit auftat, eine neue und noch eine neue Runde zu drehen, brauchte ich mal eine Ruhepause von all dem Hass, der Verletzung, der schieren Verzweiflung.
Aber du, mein Korrektiv auf ewig, lässt nicht locker. Instinktiv hast du erfasst, dass dein „besonnener“ Nachfolger (immer noch der!) jede an mir notwendige Psychochirurgie, so sehr sie auch pressiert, verweigert. Fahrlässig! Dabei hast du dir, es sind ja auch schon vier Jahre er und ich, also nicht er gegen mich, mühsam seinen Namen eingeprägt und auf eigenen Wunsch hin gemeinsam an Abendbrottischen gesessen. Er aber lernt nicht dazu und ruht sich auf dem Ist-Zustand aus. Feigling. Faulpelz.
Bleibt wieder alles an dir hängen.
Aber die Fäden laufen natürlich sowieso in deiner Hand zusammen. Nicht nur die Strippen, mit denen du meine Muttigefühle marionettierst, sondern auch die, mit denen du deinem Sohn die Milchzähne ziehst. Einer muss ja tun, was nötig ist. An Ängsten und Schmerzen kann jeder nur wachsen, auch, wenn man in dem Moment kurz mal aushalten muss, dass die übergeholfenen Prozeduren einem sinnlos und verstörend erscheinen. Dir hats ja auch nicht geschadet, im Gegenteil, was für ein prächtiger Vorzeigemensch ist aus dir geworden! Aber ach: Wie die Mutter, so der Sohn. Uneinsichtig. Wenn der Korrektor sagt, der Zahn muss raus, dann muss er raus. Die Zahnärztin soll mal schön ihre unpromovierte Fresse halten. Damit kann sie sich gleich dem unfertigen Möchtegernassistenzneuropädiater zugesellen. Es werden Türen geschmissen, Zangen aus Werkzeugkisten vorgezeigt und alle möglichen Fehlstellungen illustriert, die sich beim Kinde im Falle einer mangelnden Kooperation sicherlich einstellen werden.
„Fandest du das lustig, als ihr den Faden an den Wackelzahn gebunden habt?“
„Naja! Ich wollte den Papa nicht enttäuschen, und der hat gelacht, also hab ich auch ein bisschen gelacht.“ Da hast du wirklich eine eindrucksvolle psychische Reife im Heinschen Sinne hervorgebracht. Läuft bei dir.
Bei mir laufen derweil die Tränen, aber das natürlich nur, weil ich all die schönen, konstruktiven Debatten mit dir irgendwie falsch abgespeichert habe und mich jetzt, wie es eben schon immer mein verkorkster Stil war (und bleiben wird), unnötigerweise triggern lasse. Dabei bist du schon so lange bereit, mit mir befreundet zu sein! Und signalisierst mir dies auch unaufhörlich auf ganz unaufdringliche Weise. Aber ich kann nicht. Obwohl du meine Grenzen (und die deiner Kinder) doch so umsichtig wahrst, wissend unsere mentale Unzulänglichkeit anerkennend. Der Papa wirds richten, Ausdauer, Überzeugung und vor allem den Autrag dazu hat er.
Ich trete mich mal in den Arsch und gehe zurück zur Therapeutin. Die sagt: Schnell, wir machen Traumatherapie.
Neinnein, das hat rein gar nichts mit dir zu tun.
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