Wie das so ist zu dieser Jahreszeit – Rotznasen, wohin man ausweicht, und alle haben die Nase von was Anderem voll. Wogegen es dann keinen Impfschutz gibt, sind fieberkrampfige Suchaktionen nach einem Schuldigen – denn das Reflexionsvermögen der meisten Betroffenen steckt nach wie vor im Identifikations-Stadium, d.h. irgendwer oder irgendwas muss schuld sein oder haben oder gleich beides. Und wenn’s nicht das Wetter, die Schwiegereltern, die Kindergarten-Hygiene, die Bahn oder die genmanipulierten Nahrungsmittel sind, dann bin ab und zu ich es.
Achtung, jetzt wird’s gefährlich, also unbedingt Mundschutz oder gleich sterilen Schutzanzug überziehen. Denn wenn ich nicht gerade Anziehungspunkt bin, dann eine Bedrohung.
Einmal, da war ich schwanger, ganz allein, keiner machte mit. Kurz darauf wimmelte es von Babybauchgipsmodellagen in allen Farben und Wohnzimmerregalen, woraufhin es sich einige Monate später nur so auf den Bürgersteigen von Kinderwägen und meinen Freundinnen drängelte, während ich schon mit der Eingewöhnung beschäftigt war. Es wurde gewitzelt: „Haha, war wohl ansteckend mit dir, hihi!“ Das geht ja noch. Interessanter wird’s mit den Omas, die mal eben mit vierjährigen Enkeln einen Tages-Ausflug machen wollen, da darf ich nicht so viel von erzählen, sonst kommen noch andere auf dumme Ideen und dann heißt es: „Weil deine Schwiegermutter…!“ Schlimm war’s auch, als einer, mit dem ich partnerschaftsbeziehungstechnisch nichts am Hut hatte, als Trennungsgrund vorgab: Er musste fremdgehen, weil er mit mir nicht klarkam und deswegen musste sich seine Partnerin von ihm trennen. Danach (davor sowieso) hat wochenlang niemand mit mir geredet. Getrennt haben sich aber gleich noch ein paar andere (im Nachblick best choice ever!). Vor einiger Zeit wurde das Thema Polyamourie Mode – was das ist, wo das anfängt und wohin das führt – alle fragten mich, obwohl ich bis dahin noch nicht mal das Wort gehört hatte. Eingebettet in eine alles in allem intakte monogame Familienkonstellation, wurde in meiner Beratungsstelle philosophiert, was das Zeug hielt, und plötzlich liefen auch allen PhilosophInnen potentielle PolyamourantInnen über den Weg und es sollte nicht lange dauern, da wurden Partner aus Wohnungen geschmissen (und kurz darauf wieder aufgenommen, denn allein mit 40-Stunden-Stelle im Nacken kriegt man ja keinen Haushalt geschweige denn den Nachwuchs gewuppt), und Kinder präventiv bei Großeltern ausgelagert, damit sie all die schlimmen Schimpftiraden nicht miterleben mussten (wie umsichtig!). Hintenrum kam dann raus, das alles sei nach meinem großen Vorbild alias via meiner Projektionsfläche für Seifenopern anderer Leute gelaufen und ich täte meinen Freunden nicht gut und meinen Kollegen schon gar nicht. Komischerweise sehen meine Freunde aber alle total gesund aus und strahlen von einer Ecke in die andere und laden mich reihenweise auf ein Dankeschön-Eis für den 1A-Beistand ein (da assoziiere ich doch direkt nochmal zur Schwiegermama, die mir vorwarf, das arme Kind nicht rechtzeitig zuzufüttern, während ebensolches dick (am liebsten würde ich ja fett schreiben, doch das ziemt sich nicht) und rotbäckig mit klarem Blick in unsere Richtung strahlte). Ich muss erwähnen, dass ich einen Kurs zur Sterbebegleitung begonnen habe, der wirkt offenbar über den Tod hinaus. Jedenfalls, um das Ganze auf einen aktuellen Stand zu bringen: Die epidemica nuova ist eine Trennungswelle feinster Konsequenz. Folgerichtig heißt es: Weil meine eine beste Freundin zu viel Zeit mit mir verbringt, trenne sie sich von ihrem Mann und ließe zwei bezaubernde Kinder im Stich.
So, Leute, und nun kommt das Gegengift zu all den kranken Erregern:
Fasst euch an die eigene Nase, schaut dabei ohne zu blinzeln in den Spiegel und betrachtet das Ganze dann als Inspiration, eure präreflektive Unbewusstheit auf subtilere Ebenen der Persönlichkeits-Transformation zu befördern. Viel Erfolg, äh, ich meine gute Besserung!
Schreibe einen Kommentar