Nicht jeder, der den Titel „Doktor“ trägt, verdient diesen auch. Du zum Beispiel kannst nichtmal eins durch zwei teilen. Das hat aber nichts mit einer simplen Rechenschwäche zu tun, die ich aus eigener Betroffenheit anderen gerne nachsehe. Nein, es beruht auf einer gigantischen Erwartungshaltung, die sich, und ich gebe diesem Phänomen nur deinetwegen einen Namen, aus deiner grenzenlosen Expathie speist.

Der entsprechende Wikipedia-Eintrag wird heißen:

„Expathie bezeichnet die Fähigkeit und Bereitschaft, eigene Empfindungen, Gedanken, Emotionen, Motive und Persönlichkeitsmerkmale einer anderen Person überzustülpen bzw. aufzuzwingen und somit zur Allgemeingültigkeit zu erheben.“

Wir haben eine 50-50 Betreuung der Kinder ausgemacht. Das ist einfach. Die Jungs haben was von jedem Elternteil und diese wiederum können sich das Unterhaltshinundhergeschiebe sparen. Ich persönlich kann mich damit gut einrichten. Ich arbeite nur soviel wie unbedingt nötig, versuche den Lebensstandard nicht ausufern zu lassen, nehme mir gelegentlich Zeit für Sport und Nichtstun und finde es alles in allem immer noch ziemlich anstrengend. Das ist okay, ich werde aber weiterhin versuchen, An- und Entspannungsmomente auszubalancieren.

Nicht okay ist es, wenn der pathologisch-expathische Ex meint, die Ausgestaltung meines Berufs- und Privatlebens ginge ihn etwas an und, noch besser, ließe sich für seine Zwecke nutzen. Nein, es ging mir nie darum, mir den Hals freizuschaufeln, um für dich regelmäßig eine Nacht ranzuhängen oder dir bei Bedarf ein erkranktes Kind abzunehmen, damit du dich im Job maximal leistungsbereit zeigen, deinen Urlaub nach Weltbürgerart im nichteuropäischen Ausland verleben sowie große Karre, Babysitter und Putzfrau unterhalten kannst. Da hätte ich auch weiterhin das Frauchen an deiner Seite geben können. Lieber möchte ich, dass mich das auch alles nichts mehr angeht. Wenn du dir also weiterhin alles im großen Stil aufzuhalsen gedenkst: Übernimm doch bitte selbst die Verantwortung dafür. Ich persönlich hätte keinen Bock darauf, als alleinerziehender Vollzeitbeschäftigter beim Kindergeburtstag Plätzchen für acht Gören auszustechen, damit die dann ein paar Streusel draufklatschen können. Nenn mich faul. Ich sage dir: Es lohnt sich nicht. Denn trotz all der außerplanmäßig geschenkten Modelleisenbahnen, der tollen Ausflüge, Urlaube, Kinderparties etc pp lautet die Feststellung deines Erstgeborenen: „Komisch, wenn ich bei Papa bin, vermiss ich dich immer. Wenn ich bei dir bin, vermiss ich den Papa nie.“

Autsch.