suicide mums

Tattoos, Kinder, bunte Haare

Von Spinnen und Weberknechten

Das Leben ist für dich eher so eine Art Hereinforderung. Die eigenen Grundannahmen zu hinterfragen macht niemandem so richtig Spaß, du aber hast eine Allergie dagegen. Deshalb nimmst du gern andere in Gebrauch, die dann Schuld sind – und wehe, die wollen nicht. Wenn’s dir schlecht geht, muss ein Täter her.
Spannend, dass du mir dieses Muster schon lange ungefragt unterstellst, ich gebe es dir hiermit zurück, nach sorgfältiger Prüfung selbstverständlich.

Ein Fallbeispiel zur Veranschaulichung:
Neulich wurde ich von dir zum Abendessen eingeladen mit dem Hinweis, der Erstgeborene sei immer so traurig, wenn ich ihn bei dir abgebe, und es würde ihm ganz sicher richtig gut tun, seine Eltern beim gemeinsamen Essen zu erleben.
Da meine Hein-Warnanlage aus unerfindlichen Gründen gerade ausgeschaltet war, sagte ich zu.
Dem Jungen hat es außerordentlich geholfen, zum Nachtisch alte Geschichten von gemeinsamen Bauernhofurlauben à la „Wisst-ihr -noch-wie-ihr-immer-im-Zickleinstall-gespielt-habt“ von annodazumal zu hören. War ja auch mindestens (!) so schön gewesen wie der diesjährige ohne Papa aber mit, äh, wie heißt der gleich? Na egal.
Es verwunderte mich nicht sonderlich, dass beim Abschied dann geweint wurde. Das Kind vermisst mich, wenn ich in meinem eigenen Zuhause bin. Überraschung! Wie gut, dass er dann einen stabilen Vater hat, der ihn stützt:
„Du, der Papa findet das auch blöd. Was soll ich denn machen? Die Mama hat das nunmal so entschieden. Wir können ja beide zusammen traurig sein.“
Daumen hoch für so viel Rückgrat! Toll, wenn der Papa so gut Gefühle zulassen kann! Eins-A Rollenvorbild. Eines Tages wird der Sohn auch mal verlassen, kommt er nicht drum herum, mussten wir alle durch. Dann kann er sich darauf besinnen, wie der Alte sich jahrelang gefühlvoll festgebissen und die Kleinen mit in den Sumpf gezogen hat. Das wird helfen, dann selber auch nicht mehr aus der Nummer rauszukommen – wie konsequent!
Und damit auch wirklich niemand auf die Idee kommt, dass dieses Verziehungsverhalten von väterlich gestörtem Innenleben zeugt, beteuerst du fleißig: Sind alles Konsequenzen von Mutti’s Trennung. Wenn die uns verlässt, muss sie halt auch die Folgen geregelt kriegen.
Und während Mutti gegenrödelt, brauchst du einfach nur ausreichend Ahornsirup übers Abendessen kippen. Damit könnt ihr alle drei euren Dauerschmerz ein wenig betäuben. Und dann wird wieder geweint.

Ich plane derweil den nächsten Bauernhofurlaub, immer noch ohne dich und mit, äh, Dingsda – so herzlos bin ich. Ich webe, ich webe. Und du spinnst.

2 Kommentare

  1. Die „Hereinforderung“ ist der Brüller! Und kommt mir begrifflich wie gerufen, da ich nun auch eine narzisstische Neurose im näheren Umfeld therapieren darf – ich geb ihm ab jetzt 6 Monate. Wenn das nichts hilft, lad ich dich zum Mitheulen ein. Als Dreier läufts sicher besser.

  2. Ich liebe die letzten beiden Sätze. So wahr…

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