Nach geschlagenen zweieinhalb Jahren hocken wir nun also bei der Mediatorin, die einfühlsam-mitleidig nickt und mmmmmmht, weil du deine „Und-plötzlich-macht-die-einfach-Schluss“-Nummer so eindrucksvoll beherrschst. Mit Mühe und Not unterdrücke ich rührige Tränen, sie auch, glaube ich. Die armen, kleinen Kinder.
Kümmern wir uns doch heute mal um deine Gedächtnislücken.

Ich hatte mir das mit der Trennung gar nicht so genau überlegt. Neben einem nachdrücklichen Gefühl, dass es so nicht mehr geht, hatte ich keinen Plan. Du hattest aber gottlob einen, der ging so: Wenn man nur lange genug mit Trennung droht, wird die Bereitschaft zur maximalen Bedürfniserfüllung schon steigen. Mit Braten in der Röhre oder auch frisch geschlüpftem Nachwuchs an der Brust („Titte“, wie du lieber sagst) wird frau schon gerne ihre Beziehungsfelle zusammenhalten wollen. Ideale Voraussetzungen!
Am Abend des positiven Schwangerschaftstests: „Ich kann einfach nicht mehr. Am Besten ziehst du aus. Falls das Kind von mir ist, kannst du es ja nach dem Abstillen mal vorbeibringen.“
Derartiges wiederhole man in zwei- bis dreimonatigen Abständen und bilde sich ein, die Widerspenstige damit langsam aber sicher weichzukochen. Gleichzeitig veranstalte man allerlei Firlefanz, um die feinstoffmäßige Versorgung des Weibchens und ihrer Brut aufrechtzuerhalten. Besucher dürfen dann überquellende papierne dm-Einkaufstüten bewundern, in denen sich Kostbarkeiten voller Eisen, Magnesium, Vitamin C, D, Zink, Folsäure und allem, was sich noch auf Gottes Erdboden gesund anhört, durcheinandertummeln. „SO einen Vater hätte ich auch gerne für mein Kind! MEIN Mann ist ja nicht so der Macher“, höre ich die anderen Frauen neidvoll sagen. Hätten die auch gern als Antwort auf den freudig ausgestreckten Teststreifen „Heute abend wird trotzdem gefickt“ gehört?
Über all das denke ich nach, als mein Dreitagebaby und ich aus dem Krankenhaus nach hause dürfen, aber wegen stundenlanger Säge- und Bohrgeräusche aus der Küche keine Ruhe finden. Ah, das Küchenregal, welches ich mir vor sechs Monaten gewünscht habe (also als ich noch gerne mit angepackt hätte)! Das wäre jetzt natürlich höchst inadäquat, sich über die Erfüllung meines eigenen Wunsches zu beschweren. Der arme Vater ist eh schon gebeutelt, weil ich in der Klinik einen gewissen Kennenlernvorsprung erschlichen habe, während er zuhause das ältere Kind versorgen musste.
Im Laufe der nächsten Monate kommen ein paar Tipps, wie es mir gelingen kann, endlich seine Sprache zu sprechen und ihm zu geben, was er so dringend braucht. Mittwochs immer Sex, einmal täglich „Ich liebe dich“ behaupten, beim Drehgeräusch des Schlüssels in der Wohnungstür sofortiges Fallenlassen von Kochlöffel, Säugling und anderen unwürdigen Objekten und nachfolgendes ihm Entgegenstürmen unter angemessenen Vermissens- und Anerkennungsbeteuerungen.
Bei Nichtgelingen derartiger Bindungsanstrengungen kröne man all dies mit dem Hinweis, der eigene Therapeut sei aber übrigens der Meinung, wenn die Partnerin keinerlei Bereitschaft zeige, dann müsse man sich eben trennen.
Anschließend wundere man sich ausgiebig und langjährig über das folgende „OK, machen wir das halt jetzt“.
So war das. Ich weiß, das sind alles „aus dem Kontext gegriffene Situationen“. Unfair, die so eindrucksvoll aneinanderzureihen.
Ich bin halt eine traurige Figur, die einfach nicht versteht, wenn andere es gut mit ihr meinen.

Jetzt lasse ich den rührigen Tränen aber freien Lauf.